Patente und Betriebsgeheimnisse bzw. Know-How sind immaterielle Güter und regeln Besitz- und Eigentumsverhältnisse.
Im Gegensatz zu einem Betriebsgeheimnis ist ein Patent kostspielig zu Erwerben. Zudem erfordern Patentportfolios regelmäßige Pflege, darunter fallen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung und Überwachung der Wettbewerber. Im Gegenzug für die geleisteten Aufwendungen bietet das Patent seinem Inhaber ein Verbietungsrecht gegenüber anderen Marktteilnehmern. Dieses Verbietungsrecht bildet die Grundlage für eine potentielle Verwertung des zugrundeliegenden Know-Hows.
Betriebsgeheimnisse hingegen erfordern kein Startkapital und sind unter Umständen leichter zu pflegen. Der bewusste Umgang mit Know-How soll verhindern, dass Wissen in die falschen Hände gelangt. Solange dies funktioniert, bietet das Betriebsgeheimnis seinem Inhaber oft einen wirksameren Schutz vor Nachahmung als ein Patent oder Gebrauchsmuster.
Problematisch hierbei ist, dass das Betriebsgeheimnis häufig nur eine kurze Zeit andauert – nämlich so lange, bis der Wettbewerb ein Produkt genauer unter die Lupe genommen hat oder ein in das Betriebsgeheimnis eingeweihter Mitarbeiter ihr Unternehmen verlassen hat.
Dennoch kann diese Zeitspanne ausreichend sein, um Unternehmen einen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern zu geben. Zudem ist der Bestand des Betriebsgeheimnisses abhängig vom technologischen Gebiet: die Inhaltsstoffe chemischer Substanzen lassen sich oft nicht analysieren und ein Kraftwerk lässt sich nicht ohne weiteres zerlegen.
Dieser Beitrag soll die Vor- und Nachteile von Patenten bzw. Gebrauchsmustern gegenüber Betriebsgeheimnissen am Beispiel der Rohstoffindustrie aufzeigen. Die Rohstoffindustrie befand sich in den letzten Jahren in einer wirtschaftlichen Depression, musste Kosten sparen und hat zahlreiche Insolvenzen aufgrund niedriger Rohstoffpreise gesehen. In diesem Blogbeitrag dient sie als Sinnbild für ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld.
Dennoch sind die Ausgaben in der Rohstoffindustrie für Patentstreitigkeiten gestiegen. So führte die Ölindustrie 2012 bzw. 2013 jährlich 10 bzw. 11 gerichtliche Streitigkeiten im gewerblichen Rechtsschutz. 2014 stiegen die gerichtlichen Rechtsstreitigkeiten auf 31, also um 280 % gegenüber dem Vorjahr, um 2015 weiter auf 42 Streitigkeiten zu steigen, also ein Anstieg von 380 % gegenüber 2013.*
Woher kommt das? Führen gebeutelte Unternehmen Gerichtsverfahren, weil sie mit dem Rücken zur Wand stehen und sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld andere Einnahmequellen erhoffen? Dieses Beispiel zeigt wie entscheidend ein werthaltiges Patentportfolio im wirtschaftlichen Überlebenskampf sein kann.
Viele Unternehmen haben Schutzrechte, die sie gar nicht benutzen. Derartige Schutzrechte lassen sich durch Verkauf oder Lizensierung verwerten oder indem diese Schutzrechte für Kooperationen und Zusammenarbeit genutzt werden, sozusagen als Tausch. Arbeiten Unternehmen mit Wettbewerbern zusammen, trägt eine Kooperation über das geistige Eigentum häufig auch zur Sicherung der Margen bei.
Die Durchsetzung von Patenten ist riskant – nicht zuletzt weil Sie das Risiko tragen, dass ein Verletzungsgericht sowohl die Patentfähigkeit als auch die Patentverletzung in Ihrem Sinn bewertet. Selbst wenn diese beiden Fragen zu Ihren Gunsten entschieden werden, ist Ihr Patent auch ein Anreiz für Ihre Wettbewerber innovativ zu werden. Zudem kann auch das Produkt aufgrund verringertem Wettbewerb an Bedeutung verlieren.
Besonders für bahnbrechende neue Technologien erscheint deshalb eine Kooperation mit dem Wettbewerb unter Umständen sogar die bessere Variante. Allerdings auch hier – ohne gesicherte Eigentumsverhältnisse über Know-How klappt es nicht.
Kooperationen zwischen großen Konzernen und kleinen Firmen scheinen dieses Modell zu perfektionieren, denn kleine Firmen können zwar viel innovativer auf dem Markt agieren, jedoch fehlt ihnen oft das nötige Kapital, wohingegen in Großkonzernen die Umsetzung von Innovationen meist nicht am Kapital scheitert, sondern an bürokratischen Abläufen.
Als Unternehmen mit Betriebsgeheimnissen sind Sie den Patenten Ihrer Wettbewerber ausgeliefert. Im Worst-Case erfährt einer Ihrer Wettbewerber von Ihrem Betriebsgeheimnis und meldet es selbst zum Patent an. Damit hat Ihr Wettbewerber die Möglichkeit Ihnen die Benutzung Ihres Know-Hows zu verbieten, denn Betriebsgeheimnisse gehören nicht zum Stand der Technik. Das bedeutet, dass Sie keinen Einwand wegen fehlender Patentfähigkeit geltend machen können. Zwar lässt sich in der Theorie ein Vorbenutzungsrecht geltend machen, jedoch gelingt die Beweisführung hierfür oft nicht. Zudem lässt sich ein Gegenstand, für den ein Vorbenutzungsrecht geltend gemacht worden ist, nicht verändern. Sie sind also an diese Ausführungsform gebunden. Unserer Erfahrung nach entstehen derartige Situationen hauptsächlich durch Fluktuation unter Mitarbeitern. Wenn Mitarbeiter ausscheiden nehmen diese das Know-How immer mit und melden es häufig gleich an.
Einige Unternehmen gehen einen Mittelweg, um diesem Risiko vorzubeugen: das defensive Veröffentlichen (s. auch „Defensive Publishing“, Henn, erschienen beim Carl Heymanns Verlag). Unter einer defensiven Veröffentlichung versteht man die Dokumentation des Zeitpunkts, des technischen Gegenstandes und des Urhebers durch eine Veröffentlichung, die am liebsten doch nicht so recht zur Kenntnis genommen wird. Damit gehört der technische Gegenstand der Veröffentlichung zum Stand der Technik und kann die Patenterteilung für einen anderen verhindern. Beliebt für solche Veröffentlichungen sind öffentlich zugängliche Schaukästen auf dem Firmengelände, die so die Hoffnung, nicht gelesen werden, oder fachfremde Messen.
* Rashid Khan – What is an IP Strategy for Oil and Gas Industry; erschienen in „les nouvelles, Journal of the licensing executives society international“; März 2017